Alles hat seine Zeit...Sein und Werden

Alles hat seine Zeit, alles auf dieser Welt hat seine ihm gesetzte Frist: Geboren werden hat seine Zeit wie auch das Sterben. Pflanzen hat seine Zeit wie auch das Ausreißen des Gepflanzten. Töten hat seine Zeit wie auch das Heilen. Niederreißen hat seine Zeit wie auch das Aufbauen.
Weinen hat seine Zeit wie auch das Lachen. Klagen hat seine Zeit wie auch das Tanzen. Steine zerstreuen hat seine Zeit wie auch das Sammeln von Steinen. Umarmen hat seine Zeit wie auch das Loslassen. Suchen hat seine Zeit wie auch das Verlieren. Behalten hat seine Zeit wie auch das Wegwerfen.
Zerreißen hat seine Zeit wie auch das Flicken. Schweigen hat seine Zeit wie auch das Reden.
Lieben hat seine Zeit wie auch das Hassen. Krieg hat seine Zeit wie auch der Frieden. (Prediger 3, 1 - 8, die Bibel)

3. September 2015

Rabenmütter...

Sie treten die Pädagogik mit Füßen, handeln ihrem Egoismus entsprechend und übergehen die Bedürfnisse der Kinder...
Ich spreche von den sogenannten Rabenmüttern, von der ganz üblen Sorte. Die, die vergessen, wie man liebevoll, fürsorglich und verständnisvoll mit Babys und kleinen Kindern umgeht - ich spreche von mir. Nachts. Zwischen 1 und 5 Uhr. Da werde ich zur Rabenmutter.
Seit nun sieben Monaten gibt es keine einzige durchschlafene Nacht für Mama und Papa. Keine einzige! Das zehrt schon am Nervenkostüm. Vom Schlafenlegen bis zum Aufwachen sind 4x Aufstehen eine gute Nacht. Durchschnittlich sind es etwa 6x, die wir zu ihm rüber gehen müssen. Sehr viele Nächte und Phasen wurden auch im eineinhalb Stunden-Takt abgewickelt.
Ich fürchte die Nacht, sie bietet mir keine Erholung. Ich lege mich hin, schlafe lange nicht ein, da sich mein Gehirn just in diesem Moment dazu entscheidet auf Turbo zu schalten; ich warte innerlich auf das erste Mal Weinen, sein erstes Fläschchen. Danach schlafe ich ein, er auch. Kurz. Und wenn ich dann kurz eingeschlafen bin und jäh durch das Aufweinen meines Sohnes geweckt werde und völlig schlafbeduselt in sein Zimmer torkle, dann ärger ich mich. Wenn ich dann merke, dass der werte Herr Funkhouse jun. putzmunter und quietschfidel seinen Nachtschlaf hiermit offiziell beenden möchte - so um 2 Uhr herum - dann werde ich richtig wütend. Wenn ich ihn dann in der Hoffnung, dass er, weil er ja trotz allem Übermut hundemüde ist, von alleine einschläft, nachdem ich mit einen sich windenden Wurm eine gefühlte Ewigkeit auf dem Pezzi-Ball gehopst bin und dabei aufpassen musste, dass ich nicht vornüber kippe, mich dann wieder aus dem Zimmer schleiche und er fünf Minuten darauf natürlich nicht schläft, sondern sich lauthals beschwert - dann bin ich riiiiichtig wütend. Dann jammer' ich vor mich hin, ärgere mich über meinen Mann, der nicht die Mama ist (das sagt einfach alles). Mein Mann unterstützt mich, wo es nur geht. Es scheint, als hätte er alle Ruhe der Welt, wenn er unseren Sohn in den Schlaf zu begleiten versucht, während in mir ein Vulkan brodelt. Doch da er frühmorgens in die Arbeit muss, um unseren Unterhalt zu verdienen, muss ich hauptsächlich nachts auf. Und wenn es so ist, dann reiße ich die Bettdecke weg und stapfe wutentbrannt los, um in sechs Schritten wieder soweit auf dem Boden zu sein, um meinem Baby angemessen zu begegnen.
Und alsbald sitze ich wieder auf diesen ver******@!%$*** Pezzi-Ball und auf einmal lodert es in mir auf...
Die Reue. Die Reue nicht jede Sekunde, die ich ihn in meinen Armen halten darf, vollends zu genießen, auch wenn es mitten in der Nacht ist. Denn wie kurz ist doch die Zeit, in der ich ein Baby habe? Gerade mal ein kurzes, klitzekleines Jahr hat man ein Baby. Ich habe bereits sieben Monate davon hinter mir. Es sind ca. 18 Jahre, wo man seine Kinder enger begleiten darf, wo Mama und Papa den ultimativen, weil versorgenden Stellenwert haben, auch wenn mit Teenager-Alter alles andere interessanter wird. Es ist eine so unglaublich kurze Zeit. Woher kommt die Wut? Schlafen könnte ich doch später? Aber so ist es leider nicht, ich bräuchte ihn jede Nacht, ich brauche Zeit, um mich zu regenerieren, um wieder voller Energie zu sein. Da ich nicht zu meinen Nachtschlaf komme, fühle ich mich meist kraftlos und müde. Auch wenn ich seine Tagesschläfchen oft für ein gemeinsames Schläfchen nütze. Es fehlt die Nacht...und als ich meinen Gedanken und meiner Reue so nachhänge, bemerke ich erst, wie schön es sich anfühlt, wenn der kleine Körper in meinen Armen liegt, warm, sicher und entspannt. Ich sehe das Weiß seiner Augen die meinen suchen und fühle sein Händchen, dass mein Gesicht ertasten will. Ich bereue es zutiefst, so wütend zu werden.
Und werde es wohl in der nächsten Nacht genauso sein...

Ein weiterer Gedanke, der mich heute bewegte - in einer Zeit, in der auf Facebook ein Foto eines toten, am Meer angespülten Flüchtlingskindes kursiert, weil das unsere derzeitige Realität ist - wie dankbar können wir doch sein, dass nächtliches Aufstehen, um unsere sicheren, wohlgenährten, behüteten Kinder Geborgenheit zu geben, eines unserer banalen Probleme ist. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob ich meinem Kind Krieg, Verfolgung und Terror aussetze oder in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in ein fremdes Land flüchte und hoffe, dass es nicht ertrinkt, erstickt, verdurstet und wenn es überhaupt überlebt großen psychischen Schaden davon nimmt. Wie dumm und überheblich ist doch der Glaube, dass wir uns diese Sicherheit, in der wir leben, diesen Wohlstand verdient haben und es unser Recht sei. Ja, die Zeiten werden härter, auch für unsere Wohlstandsgesellschaft, ja es wird Probleme bringen und uns aus der Komfortzone bringen. Wir haben unser Glück genauso wenig verdient, wie IRGENDJEMAND ein Schicksal wie die abertausenden Menschen, die von Hoffnung getrieben oftmals in den Tod laufen. Und wenn ihnen die Härte ihres Fluchtweges nicht den gar aus macht, dann macht unsere Angst, unsere Sorge, um unseren Wohlstand und Sicherheit ihnen das Leben noch zusätzlich schwer?? Nein, wir haben uns unser feines Land nicht verdient. Es ist kein Recht - es ist Vorrecht. Es ist ein Vorrecht für uns und unsere Kinder und wir haben soviel davon, dass wir ganz leicht etwas davon abgeben können.

Mein lieber Sohn,

wenn du eines Tages so alt bist, dass du im Geschichtsunterricht davon hörst, was in der Zeit passiert ist, als du ein kleines Baby warst, dann sei dankbar. Dankbar für Sicherheit, Geborgenheit, Nahrung, für alles was du hast, alles, was dir möglich ist und alles wovor du behütetet wirst. Ich hoffe, dass aus dir ein Mensch wird, der sich aus Liebe zu seinem Nächsten in dessen, wenn auch noch so fremde Welt, hinein denken kann und erkennt, dass dieser genauso fühlt wie du, genauso Angst hat wie du, genau so Freude empfinden kann wie du - genau so erdacht und geliebt ist von seinem Schöpfer-Gott, wie du. Vergiss nie, dass jeder zählt, dass jeder Wert hat. Wenn dir irgendjemand glauben machen will, dass es wichtigere und unwichtigere Menschen gibt, dann ist das eine Lüge. Es wird schwer sein, alle Menschen so anzunehmen. Du wirst nicht alle mögen, viele werden dich nicht mögen. Viele wirst du blöd finden, weil sie anderer Meinung sind oder dir sogar Schmerzen zufügen, aber wisse, egal wie du fühlst - JEDER ist es wert geliebt und geachtet zu werden. JEDEM, der Hilfe sucht, soll Hilfe zuteil werden. Glaube nicht alles, sei kritisch, überlege dir alles durch, finde nicht alles gut, was der Zeitgeist sagt, dass gut sei. Bild dir deine Meinung und steh dazu. Aber alles was du tust und wie du denkst, soll von echter, tiefer Liebe zum Menschen geprägt sein. Ich werde mein Bestes geben, um dich zu einem liebesfähigen, mitfühlenden und mitdenkenden Menschen groß zu ziehen.

                                                            In unaussprechlicher Liebe zu dir, 
deine Rabenmama