Alles hat seine Zeit...Sein und Werden

Alles hat seine Zeit, alles auf dieser Welt hat seine ihm gesetzte Frist: Geboren werden hat seine Zeit wie auch das Sterben. Pflanzen hat seine Zeit wie auch das Ausreißen des Gepflanzten. Töten hat seine Zeit wie auch das Heilen. Niederreißen hat seine Zeit wie auch das Aufbauen.
Weinen hat seine Zeit wie auch das Lachen. Klagen hat seine Zeit wie auch das Tanzen. Steine zerstreuen hat seine Zeit wie auch das Sammeln von Steinen. Umarmen hat seine Zeit wie auch das Loslassen. Suchen hat seine Zeit wie auch das Verlieren. Behalten hat seine Zeit wie auch das Wegwerfen.
Zerreißen hat seine Zeit wie auch das Flicken. Schweigen hat seine Zeit wie auch das Reden.
Lieben hat seine Zeit wie auch das Hassen. Krieg hat seine Zeit wie auch der Frieden. (Prediger 3, 1 - 8, die Bibel)

26. August 2015

It`s all about the bass...

...ist quasi die Hymne meines Mann, der, zu meinem Glück, die kurvige Heckansicht bei Damen - ergo mir - präferiert. Mein Sohnemann gerät da eher nach seinem Vater, jedoch aus anderen Motiven. Wenn ich meinem Zwerg ein Plüschtier zum Spielen gebe, wird es sogleich mit dessen Hinterteil voran erkundet. Der Grund: es gibt offensichtlich nichts Interessanteres und Amüsanteres als die Etiketten, die meist an dieser eigentlich unbedeutenden Stelle befestigt sind.

Wie wichtig unser (nicht zu Unrecht genannter) Allerwertester ist, wird spätestens dann klar, wenn man für dessen Unversehrtheit und Sauberkeit bei einem Säugling zuständig ist. Man sieht wohl auch keinen Hintern sooft, wie den eines Babys, was daran liegt, dass man ihn täglich ca. 8 bis 12 mal auspackt, säubert und pflegt. Und, mal unter uns, wie süß ist so ein Mini-Popotschi eigentlich :)?
Ja, und dieser besagter Popo, war auch der Grund, warum mein Sohn das erste Mal in seinem Leben eine Operation mit Vollnarkose über sich ergehen lassen musste und ich das erste Mal in meinem Leben Mama und Begleitperson eines Krankenhauspatienten war.
Vor einigen Wochen viel eine rote Stelle beim Windeln auf. Da wir an einen unglücklich platzierten Mückenstich dachten und unser Söhnchen quietschfidel wie immer war, dachten wir an nichts Schlimmeres. Da dieser Fleck jedoch nicht verschwand, ließen wir es doch abklären. Heraus kam, dass es sich um einen Abszess handelt, der operativ geöffnet und versorgt werden muss. Man denkt bei einem ekligen Abszess doch eher an einen erwachsenen Popo (okay, über sowas will man einfach gar nicht nachdenken, ich weiß), aber doch nicht an einen unschuldigen, supersüßen, speckigen, Mini-Bopsch... Uns wurde erklärt (als hätte ich mir das nicht schon längst im Vorfeld von Dr. Google erklären lassen), dass soetwas gehäuft bei Säuglingen vorkommt, Ursache unbekannt.

Soweit die Theorie. Die bittere Realität brachte uns zwei schreeeeeecklich lange Nächte im Krankenhaus. Die erste Hürde war das Legen eines Zugangs, der die nächsten Tage einbandagiert und durch eine Handsocke gesichert sein kleines Händchen "zieren" sollte. Wenn dann drei Schwestern und du als Mama Händchen und Beinchen deines sechs Monate alten Sohnes festhalten und eine Ärztin, deren Kompetenz ich nicht bezweifeln möchte, aber trotzdem aussieht wie Sweet 16, zuerst am ersten Versuch am Bein scheitert und danach eine weitere gefühlte Ewigkeit versucht einen Zugang zu legen und dabei ein Mantra vor sich hin brummt, "Da muss ich überlääääääägäääääään....Da muss ich überlääääägäääään....Da muss ich überlääääägäääään", während eine der Schwestern ein Glucose-Safterl zur Beruhigung in sein Mäulchen träufelt und sich mit einer anderen Schwester über die Zaubertrank-ähnliche Wunderwirkung des Saftes unterhält - spätestens dann weißt du, diese Erfahrung hätte ich jetzt gar nicht gebraucht.
Nach dem Legen des Zugangs, wurden wir aufgenommen und durften einchecken. Nur, dass es nicht ganz so komfortabel zuging, da kein Zimmer frei war und das ganze Prozedere unbedingt Mittags - also eigentliche Essens - und Schlafzeit von Babys - stattfinden musste. Trotz der schön, hell und großzügig gestalteten Kinderstation und der netten Zimmerkollegen, fand ich als Schlafstätte einen 80cm breiten Klappcouchsessel und ein riesiges käfigartiges Ungetüm, dass an die tiefgraue Vergangenheit in kommunistischen Krankenhäuser erinnerte und ich einfach nur als "das Gefängnis" bezeichnete. Also in etwa so: "Könnte ich vielleicht bitte eine weitere Decke für das Gefängnis...ähhh...Betterl haben, damit ich es ihm ein bisserl kuscheliger machen kann?"
Mein Plan vom Zusammen-in-einem-Bett-Schlafen, war durch das Gefängnis zunichte gemacht. Es war nicht einmal möglich sich gegenseitig anzusehen, da ich ungefähr ebenerdig auf meiner Pritsche lag und mein Baby im Gitterkäfig zwei Meter über mir lag. So kam es, dass ich die erste Nacht praktisch stehend und sein Händchen haltend verbrachte.
Irgendwann wurde mir dieses "Schlaf-Arrangement" zu bunt und ich holte mir meinen kleinen Patienten auf meine Pritsche. Da lagen wir nun auf 80 cm. Naja, Liegen ist übertrieben, ich versuchte auf meiner Flanke zu balancieren und dabei tunlichst zu vermeiden über mein Baby zu rollen. Und trotzdem wars gemütlich. Um halb sechs flößte ich ihm im Schlaf sein letztes Fläschchen ein, bevor er nüchtern werden sollte, was ich mir wie den größten Alptraum ever vorstellte. Laut Plan hätte er sechs Stunden ohne Nahrung sein sollen, was bedeutete zwei bis drei Stunden Hungergebrüll "überbrücken". Die Horrorszenarien eines vor Hunger und Angst brüllenden Kinder, dass an Kabeln angeschlossen von mir weg in die Ungewissheit gebracht wird, verdichteten sich in meinen Gedanken. Doch sie bewahrheiteten sich keinesfalls. Die Operation begann früher als erwartet und obwohl ihm das sogenannte "Wurschtigkeits-Zapferl" verwehrt wurde, schlummerte er noch in seinem Gitterbett ein, während er in den OP gefahren wurde. Ich durfte ihn lediglich zum Lift begleiten und sah, wie sich die Türen hinter meinem völlig ruhigen süßen Baby in seinem Krankenhaus-Käfig und seinen zwei Krankenschwestern schlossen. Sogar an dieser Stelle verhielt er sich einfach so großartig, so gechillt als hätte er sagen wollen:"Mama, alles gut, alles easy, kannst du nicht die Armee an Engeln sehen, die mein Papa im Himmel als meine Leibwächter geschickt hat?"
Nach ca. eineinhalb Stunden wurde ich zu ihm gerufen. Mein nur mit Windeln bekleidetes, an piepsenden Geräten hängendes, schlafendes Bündel lag in seinem Bett-Gefängnis und es gab in diesem Augenblick nichts Großartigeres als seinen Atmen zuzuhören. Eine Stunde saß ich an seinem Bett bis er sanft geweckt wurde und ich ihn endlich in den Arm nehmen durfte. Der Tag verlief ruhig weiter. Die größte Hürde würde uns noch bevor stehen - wir durften das Krankenhaus erst verlassen, wenn ich es lernen würde, seine Wunde zu versorgen, was heißt, dass ich eine 5cm lange, sehr tiefe offene Wunde spülen lernen musste. Der operierende Arzt fragte mich mehrmals: "Schaffen sie das?" Cool, wie ich wirken wollte, sagte ich, dass ich das wohl müsste und dass ich das schon hinbekommen würde. Als bei der Visite am nächsten Morgen erst der Wundstreifen herausgenommen wurde und ich das ganze Ausmaß der Wunde sah, stieß ich einen Ausruf des Schreckens aus, worauf der Arzt noch einmal erwiderte - er wusste wohl, was mich erwarten würde: "Deswegen sage ich, schaffen sie das?" Klar schafften wir das. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie schmerzhaft solch eine Wunde sein musste. An einem einzigen Tag wimmerte unser tapferer Kerl aufgrund der Schmerzen, sonst nie. Und nach 10 Tagen war der Spuk vorbei und die Wunde weitgehend geschlossen und das Krankenhaus Schnee von gestern.

So brachte uns also das Popöchen meines Sohnes zu einem unserer ersten gemeinsamen Abenteuer, dass ehrlich gesagt ziemlich "füan Oasch" war...

P.s.: Mein lieber Sohn! Solltest du diese Zeilen in einem Alter lesen, wo dir bewusst ist, dass faktisch die ganze Welt darüber Bescheid weiß, dass du eine Narbe am Popo trägst, verzeih' mir zuerst. Und danach überlege, was du so alles mit deinen "Freunden" per social media oder Hologramm (ich weiß ja nicht, was in 14 bis 16 Jahren so "in" ist) teilst... Außerdem denke daran, wie oft ich deinen Baby-Popo von schrecklich stinkenden Dämpfen eingenebelt gewickelt habe - also keep cool :P

In Liebe, deine Mama