Alles hat seine Zeit...Sein und Werden

Alles hat seine Zeit, alles auf dieser Welt hat seine ihm gesetzte Frist: Geboren werden hat seine Zeit wie auch das Sterben. Pflanzen hat seine Zeit wie auch das Ausreißen des Gepflanzten. Töten hat seine Zeit wie auch das Heilen. Niederreißen hat seine Zeit wie auch das Aufbauen.
Weinen hat seine Zeit wie auch das Lachen. Klagen hat seine Zeit wie auch das Tanzen. Steine zerstreuen hat seine Zeit wie auch das Sammeln von Steinen. Umarmen hat seine Zeit wie auch das Loslassen. Suchen hat seine Zeit wie auch das Verlieren. Behalten hat seine Zeit wie auch das Wegwerfen.
Zerreißen hat seine Zeit wie auch das Flicken. Schweigen hat seine Zeit wie auch das Reden.
Lieben hat seine Zeit wie auch das Hassen. Krieg hat seine Zeit wie auch der Frieden. (Prediger 3, 1 - 8, die Bibel)

25. Juni 2015

Zurück im Leben...

...per Tritt in den Hintern

Allmählich erweitert sich meine Welt wieder, was ich vor allem zugegebenerweise schmachvoll dem Abstillen (gabs bei mir nicht, hab halt einfach aufgehört, Baby war's wurscht) zuschreiben muss, kann, darf. Ich hatte ja anfangs das Gefühl, dass ich nie wieder etwas anderes als Babygeschrei, Pupswindeln und Sabberhände erleben werde und als Ausgleich hin und wieder meinen Haushalt führen dürfte. Da mein kleiner Wonneproppen dermaßen einnehmend ist, gab es in meiner Vorstellung kein anderes Leben, keine anderen Aufgaben mehr neben ihm. Doch, früher als gedacht konnte ich einfach wieder da ansetzen, wo ich vor dem Baby aufgehört hatte. So hatten wir, mein Mann, eine Freundin und ich, vor ein paar Wochen unseren ersten Job nach der Babypause als Musiker bei einer Hochzeit. Und ich finde unsere musikalische "welcome-back-party" hätte nicht besser laufen können - in der schönsten und luxeriösesten location seit wir Trauungen gestalteten. Natürlich versuchten wir dort möglichst unauffällig, hysterisch-begeistert zu kichern, wollten wir doch einen möglichst professionellen Eindruck machen, so als wäre das die Art von location, die wir mindestens jede zweite Woche bespielen. Nett war auch, dass wir uns quasi backstage dieser Luxus-Hotelanlage mit dem Mann-für-alle-Fälle über die Affenhitze beklagten, bevor wir von diesem ein 7€ Mineralwasser in Sektgläsern gereicht bekamen - sind wir doch alle nur Menschen...
Meine Vorbereitungen auf diese Hochzeit und die Mühen, mich in Schale zu werfen, waren frühmorgens dafür weniger elegant. Man füge folgende Bilder zusammen: Frau im Kleid, eleganter Dutt, in der einen Hand Wimpertusche, in der anderen Hand die Milchpumpe und das ganze (ein)singenderweise.
Ich empfand unseren ersten Job, das wunderschöne Ambiente und das perfekte Wetter als gelungenen Startschuss, wieder mehr am Leben außerhalb meiner vier Wände teil zu nehmen - ich höre innerliche Buhhhhh-Rufe meines bindungsorientierten-ewigstillenden-immertragenden-Mama-Engels auf meiner Schulter. Aber so sehr das Ganze mit eitler Wonne angefangen hatte, so fest knallten wir auf das Pflaster der harten Realität. Mein Baby UND ich. Denn was zum wahren Leben außerhalb der behüteten Rosa-Wolken-Klitzekleinbabyzeit noch dazu gehört, ist?? Ja, genau - das Kranksein. Mein Kleiner begann vor ca. zwei Wochen und ich folgte eine Woche später. Und wenn dein Baby so röchelnd und schlecht schlafend neben dir liegt, während du verzweifelt versuchst den Hustenreiz zu unterdrücken (keine Chance!!!) und dein Gesicht gaaaanz tief in den Polster gräbst um zu husten, dann merkst du wieder, was es heißt Mama zu sein. Denn es gibt keine Möglichkeit mehr, dich einfach mal für 2, 3 Tage hinzulegen, meiste Zeit zu schlafen und dann aber auch wieder gesund zu sein. Nein, man eiert halt den Tag so vor sich herum und schleppt Rotznase und Husten drei Wochen schön verpackt im Rucksack mit. Und während ich mitten in der Nacht mit verschwollenen Augen Zwiebel schnitt um Babys Schlafzimmer ergo unseres geruchlich zu verpesten und auf Besserung zu hoffen, dachte ich an eine Chatkonversation mit einer Bekannten, die auf die Frage, wie es uns geht, und meiner Antwort, dass die Nächte sehr anstrengend seien, da Babyboy nach wie vor alle drei Stunden sein Fläschchen (und auf das muss man im Gegensatz zum Busen warten, darum muss man schreien und davon wird man schööön wach) möchte und um halb 5 ausgeschlafen ist, folgendes antwortete: "Ach dazu wäre ich noch nicht bereit, mir ist mein Schlaf noch so wichtig!" Worauf ich gerne geantwortet hätte: "Ja, genau deswegen habe ich mir ein Kind zugelegt. Ich wachte eines Morgens um 10 Uhr putzmunter auf und dachte mir: so, nun brauche ich keinen Schlaf mehr! Nun bin ich bereit im besten Fall alle drei Stunden durch Gebrüll geweckt zu werden, allgemein aufgrund des "Ammenschlafes" einfach mies zu schlafen und um 4, halb 5 ein quengelndes, plärrendes und superwaches Baby neben mir zu haben.' Schlaf ist auch völlig überbewertet. Mit zunehmenden Alter hat man dann ja auch ausgeschlafen. Pha, Schlaf - WOZU??"
Wie auch immer, allmählich erholen wir uns ja auch wieder und wir können beinahe wieder durchatmen...Das waren also unseren ersten Wochen fern unserer Glückseligkeits-Insel.
Es scheint als hätte sich in dieser harten Zeit auch etwas in meinem Sohnemann getan. Neben der Tatsache, dass aus dem kleinen schmalen Würmchen innerhalb der letzten eineinhalb Monate ein recht propperes Kerlchen geworden ist mit typischer Speckfalte an den Schenkeln und über 1500g mehr auf den Rippen, ist er vom süßen, still staunenden, ruhigen, fröhlichen Neugeborenen mit neu erworbenen Fähigkeiten zu einem vollzeitlichen Quengler und Raunzer geworden, sobald man ihn ablegt oder 5 Minuten mit dem selben Amüsement beschäftigen will. Und so trotzt er sämtlichen physiologischen Empfehlungen und möchte am liebsten alles in sitzender Position entdecken, Bauchlage findet er noch immer total doof und sein Spielebogen ist was für Babys. Jede Beschäftigung länger als 3-5 Minuten ist langweilig und wenn schon nicht sitzen, dann bitte herumtragen, aber ja nicht im blöden Tragetuch, da sieht der werte Herr ja wieder nix. Ja, der hübsche Knabe bekommt Charakter...
Neben den täglichen "Kämpfen" zwischen seinen und meinen Bedürfnissen, gibt's aber halt auch diese zuckersüßen, Patschehändchen-Streicheleinheiten (ja, ich geb's zu, meistens sind sie voller Sabber und seine feinen Nägelchen sind suuuuper fies) und einen Schwall voll glucksend-fröhlicher-Brabbelei, die schöner als Musik in meinen Ohren klingt und wo es in den vielen "grrrs" und "aiaiaiais" und "argggrrraaa" und "bllllööö" ganz genau hören kann, wie er sagt:" Mama, ich hab dich lieb, du bist die Beste und schönste Mama - meine Mama! Ich verzeihe dir alles! Geh' nur bitte nie, nie, nie wieder weg von mir, bleib nur ganz nah bei mir!" In diesen Augenblicken fühle ich mich so richtig lebendig, zurück im Leben, in meinem neuen Leben...per Liebkosung Gottes in Form MEINES Wunders, meines Babys.